Alleingang mit eisernem Wille - BLZ vom 26.01.2012
Kommentierung vorab:
Die Diskussion über die Zukunft des Stromnetzes und der Stromversorgung der Stadt Rösrath wird spannend und ist auch für die zukünftige Entscheidungsfreiheit und Finanzlage der Stadt von großer Bedeutung. Wie in Bergisch Gladbach (siehe http://www.rhein-berg-online.ksta.de/html/artikel/1327500710512.shtml) stellt sich angesichts des Auslaufens der Stromkonzessionsverträge mit RWE die Frage: einfaches Erneuern des Konzessionsvertrages mit RWE, Übernahme des Netzes in Kooperation mit einem Unternehmen (mit wem?) oder alles (Netze, Unterhalt und Versorgung) aus einer Hand durch die Stadtwerke Rösrath? Nach der Entscheidung des Stadtrates zur Ausschreibung der Konzession dreht sich in Rösrath die Diskussion um die zweite oder dritte Möglichkeit: während die Stadtwerke Rösrath den Weg der Kooperation (mit Rheinenergie?) befürwortet, vertrat die Leiterin der Gemeindewerke Nümbrecht vehement die Alternative, alles in eigene Hand zu nehmen. Wir werden über die Diskussion weiter berichten.
"Man muss einen haben, der das unbedingt will, mit blutunterlaufenen Augen, und sich durch nix davon abbringen lässt." Dieser Weg zur kommunalen Autonomie bei der Energieversorgung, findet bei Rösraths Entscheidungsträgern wenig Gegenliebe. ...
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„Wir haben uns für ein Kooperationsmodell entschieden“, erklärte Ralph Hausmann, Geschäftsführer der Stadtwerke Rösrath, zur Strategie, mit der der Stadtrat ins Stromgeschäft zurückkehren will. Für einen Alleingang reiche die Vorbereitungszeit nicht mehr. Doch das Auditorium im Gemeindesaal der evangelischen Versöhnungskirche, die im Rahmen einer Vortragsreihe zum Reformationsjubiläum eingeladen hatte, folgte den Ausführungen der burschikosen Strommanagerin aus Oberberg mit Spannung. Intensiv wurde in der vom ehemaligen BLZ-Redaktionsleiter Horst Breiler moderierten Runde nachgebohrt. Eröffnet sich hier nicht vielleicht ein Königsweg zu einer lokalen Öko-Utopie statt Konzerne und Großkraftwerke örtliche Energieproduktion aus nachhaltigen Quellen wie Wind- und Sonnenkraft, zu bezahlbaren Verbraucherpreisen und kräftigen Dividenden für die leere Stadtkasse?
Ausgangspunkt dieser Gedankenspiele ist bekanntlich das Auslaufen des Rösrather Stromkonzessionsvertrages zum 30. November 2013. Die Konzession, mit der die Kommune einem Versorgungsunternehmen gestattet, seine Kabel- oderRohrnetze unter öffentlichem Straßenland zu verlegen, ist der Schlüssel zum Schlaraffenland der Monopole. Während der Verkauf und Vertrieb elektrischer Energie einmit vielen Risiken behaftetes Geschäft ist, kann der Netzbetreiber nur verdienen: „Da kann man nichts falsch machen“, erklärt Marion Wallerus im Brustton der Überzeugung.
Betreiben darf das Netz nur der Konzessionsinhaber, der die Gemeinde über die Konzessionsabgabe an den Einnahmen teilhaben lässt. Doch viel höhere Quoten winken, wenn die Kommune das Netz selbst betreibt. Ein vielleicht noch größerer Vorteil ist die Gestaltungsfreiheit über Energiemix und eise Dafür muss man das Netz aber dem Vorbesitzer abkaufen. „Das geht nicht ohne Streit und Prozess“, prophezeit die Nümbrechter Versorgungs-Chefin. „Es sei denn, Sie nehmen den Vorbetreiber mit ins Boot aber dann können Sie auch nicht mehr frei entscheiden im Sinne der Priorität örtlicher Interessen.“ Ein Fremdbetreiber habe nur die Gewinnmaximierung im Sinn.
Wallerus schildert den Aufstieg der Gemeindewerke Nümbrecht (GWN) in den 90er Jahren als einen Kampf zwischen David und Goliath: Goliath das war der alte Netzbetreiber RWE und der ist nicht nur riesig, sondern in dieser Geschichte auch noch gemein: „Die sind von Haus zu Haus und Hof zu Hof gegangen und haben die Bauern gefragt: ,Könnt ihr noch von Hand melken? Bald geht das Licht aus.’“ Um den Netzwert wurde heftig vor Gericht gestritten: Statt der geforderten 24 Millionen Euro mussten sich die RWE mit neun Millionen bescheiden. Die eingangs geforderte Pitbull-Mentalität setzte sich erfolgreich durch: Das marode Stromnetz wurde für 10,7 Millionen saniert (ausschließlich bankfinanziert), neue Umspannstationen gebaut.
Nümbrecht erfreut sich der niedrigsten Stromtarife im Umfeld der benachbarten Anbieter. Mit Billigvermarktern aus dem Internet kann man jedoch nicht mithalten, so dass die GWN nur 80 Prozent der Stromkunden halten konnte. Die GmbH mit inzwischen 17 Beschäftigten wirft einen Jahresgewinn von 450 000 Euro ab, zuzüglich 80 000 Euro Gewerbesteuer und 400 000 Euro Konzessionsabgabe. Dazu wird ausschließlich zertifizierter Öko-Strom („Naturstrom“) geliefert. Freilich: Mit dem Wunschthema, Strom selbst zu produzieren, hapert es noch: Bisher stehen erst drei Blockheizkraftwerke und etwas Photovoltaik zur Verfügung. Solarstrom sei einfach zu teuer, so Vallerus, die eher auf Windkraft und Nahwärme (Wärmepumpen) setzt . „Mit drei Windparks wären wir autark.“
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