NRW-Regierung: keine Klage gegen Nachtflug - KStA vom 2.10.2012
Anders als noch vor der Landtagswahl im Mai angekündigt, sieht die rot-grüne Landesregierung von einer Klage gegen nächtliche Flüge von Passagierjets ab. Das Verkehrsministerium liefert dafür auch eine Begründung. Von Johannes Schmitz

Köln / Region.
Schallschutz am Haus reicht aus, um die Menschen vor Gesundheitsschäden durch Nachtfluglärm zu bewahren. Ein Nachtflugverbot ist dazu nicht notwendig. Auf diese Position zieht sich die NRW-Landesregierung zurück, nachdem das Bundesverkehrsministerium ein Nachtflugverbot für Passagierjets für rechtswidrig erklärt hatte.

Das Verkehrsministerium NRW im Wortlaut:
„In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nach geltendem Luftrecht (Bundesrecht) an einem planfestgestellten Flughafen Flugbetriebsbeschränkungen von der Luftfahrtbehörde als „ultima ratio“ erst verfügt werden dürfen, wenn feststeht, dass baulicher Schallschutz zur Behebung gesundheitsgefährdenden Flugbetriebs nicht ausreicht. Dafür sind am Flughafen Köln/Bonn keine Anhaltspunkte vorhanden.“

Diese erstmals so offen geäußerte Haltung der Landesregierung steckt in folgender Aussage des NRW-Verkehrsministeriums: „In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass nach geltendem Luftrecht (Bundesrecht) an einem planfestgestellten Flughafen Flugbetriebsbeschränkungen von der Luftfahrtbehörde als „ultima ratio“ erst verfügt werden dürfen, wenn feststeht, dass baulicher Schallschutz zur Behebung gesundheitsgefährdenden Flugbetriebs nicht ausreicht. Dafür sind am Flughafen Köln/Bonn keine Anhaltspunkte vorhanden. Die Annahme, dass Bundesrecht gesundheitsgefährdenden Fluglärm in Kauf nimmt, ist unzutreffend.“ Das bedeutet für alle Betroffenen einen erheblichen Rückschritt hinter das Jahr 1997. Damals hatte die rot-grüne Landesregierung die Nachtfluggenehmigung zwar verlängert, gleichzeitig aber angekündigt, ein Verbot für Nachtflüge von Passagierjets und besonders lauten Frachtmaschinen durchzusetzen.

Kraft will keinen Streit.
Doch beides verhinderte der damalige Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU). Spätere Landesregierungen haben keinen neuen Versuch gestartet, Wissmanns Veto zu umgehen. Und es sollte noch schlimmer für die Menschen der Region kommen: Als CDU und FDP in NRW regierten, verlängerte im Jahr 2008 der Landesverkehrsminister Oliver Wittke (CDU) die Nachtfluggenehmigung bis in das Jahr 2030 – ohne die Fluglärmkommission auch nur anzuhören.

Vor der Landtagswahl im Mai dieses Jahres hatte die Regierung von Hannelore Kraft noch angekündigt, das Nachtflugverbot für Passagierjets durchsetzen zu wollen. Jetzt aber sagt ihr Verkehrsministerium ganz klar, dafür gebe es gar keine Notwendigkeit.

Angesichts dieses offensichtlichen Widerspruchs prangert die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF) die Haltung der Landesregierung an. BVF-Vorsitzender Helmut Breidenbach verlangt, dass Hannelore Kraft versuchen soll, per Gericht notfalls auch gegen den Willen des Bundesverkehrsministeriums das Nachtflugverbot für Passagierjets durchzusetzen.

Krafts Verkehrsministerium in Düsseldorf kommt zu dem Schluss, dies sei juristisch unmöglich. Das Land habe keine Handhabe gegen den Bund. Viele Beobachter und Fachleute sehen das anders.

Dennoch will die Regierung Kraft weder einen Bund-Länder-Streit gegen das Bundesverkehrsministerium noch eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht anstrengen.

Dies würde der neuen inhaltlichen Position der NRW-Regierung auch zuwiderlaufen. Denn die besagt ja, dass geschlossene Lärmschutzfenster ausreichen und ein Nachtflugverbot überflüssig ist.