Wie Fluglärm im Schlaf krank macht - KStA vom 06.07.2013
WISSENSCHAFT Neue Studie spricht von gravierenden Folgen für das Herz-Kreislauf-System durch das Stresshormon Adrenalin
Rhein-Berg/Mainz. Dass Fluglärm in der Nacht die Gesundheit schädigen kann und das Risiko erhöht, schwer zu erkranken, ist durch viele Studien hinreichend belegt. Nun aber liegt eine neue wissenschaftliche Untersuchung vor, die nachweist, auf welche Weise die Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems erfolgt.
Professor Thomas Münzel, Klinik-Direktor aus Mainz, sieht "einen Durchbruch" für die Fluglärmforschung. "Diese Studie zeigt konkret auf, wie und bei welchen Schallpegeln Gefäßschäden entstehen." Gleichzeitig weist er darauf hin, dass die Ergebnisse in weiteren Studien intensiv geprüft werden müssen. Das gehört zum guten Ton seriöser Wissenschaft. Auch der Epidemiologe Professor Eberhard Greiser hat in Bezug auf seine bahnbrechenden Studien stets gefordert, mit weiteren Untersuchungen sollte noch tiefer und detaillierter untersucht werden, wie Fluglärm krank macht. Unbestritten ist nach aller wissenschaftlicher Erkenntnis derzeit, dass Fluglärm vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Infarkt und Schlaganfall hervorrufen kann. Münzel hat in einem Versuch mit 75 gesunden Männern nun gezeigt, wie der Nachtfluglärm das Stresshormon Adrenalin steigert und dadurch die Fähigkeit der Arterien abnimmt, sich zu erweitern.
Gefäßschädigung
Diese Fähigkeit der Arterien nehme in dem Maße ab, indem der Nachtfluglärm zunehme, hat Münzel herausgefunden. Bemerkenswert sei, dass sich die durch den Lärm ausgelöste Gefäßschädigung durch Vitamin C korrigieren lasse. Das bedeutet aber nicht, dass die Einnahme von Vitamin C eine mögliche Erkrankung verhindert. Die Universität Colorado hat im Jahr 2005 eine Studie veröffentlicht, nach der Vitamin C auch in hoher Dosis kein ausreichender Schutz gegen freie Radikale sei.
Freie Radikale, das sind von den Zellen gebildete Stoffe, die die Gefäßfunktion negativ beeinflussen. Ganz allgemein ist jedoch anerkannt, dass Vitamin C eine Abwehr gegen diese Stoffe bilden kann, aber sicher keine absolute. "Vitamin C gegen Fluglärm", diese Parole liefe also ins Leere. Die Gegner des krank machenden Nachtfluglärms werden sie trotzdem zu hören bekommen. Genauso wie den Allgemeinplatz, wer unter Fluglärm wohne, sei selber schuld. Dieses Scheinargument der Nachtflug-Lobby verkennt die historische Chronologie. Die Ortschaften rund um den Flughafen sind seit vielen Jahrhunderten mitunter recht dicht besiedelt.
Dr. Gerda Noppeney von den Ärzten für ungestörten Schlaf sieht sich durch die neue Studie darin bestätigt, dass man auch dann gesundheitlichen Schaden nimmt, wenn man glaubt, sich an den Fluglärm gewöhnt zu haben. Auch ohne eine bewusste Aufwachstörung nehme der Lärm über das Ohr seinen Weg ins Herz-Kreislaufsystem.
Die neue Studie hat Münzel im European Heart Journal, Oxford, Juli 2013, veröffentlicht.