Die Politik muss antworten
Das Streitthema Lärm darf nicht nur auf juristischer Ebene ausgetragen werden
Kommentar von Lutz Feierabend im Kölner Stadt-Anzeiger vom 17.03.12
Man könnte es Politik in letzter Sekunde nennen - wäre es nicht ohnehin Bestandteil des Koalitionsvertrags von Rot-Grün in NRW. Die noch amtierende Landesregierung will den nächsten Schritt tun und mit einer Anordnung den Nachtflugverkehr von Passagiermaschinen am Flughafen Köln/Bonn verbieten. Horst Becker (Grüne) hat als Staatssekretär im Verkehrsministerium das Vorhaben hartnäckig verfolgt. Nach Anhörung der Fluggesellschaften und des Flughafens sowie verschiedenen Gutachten ist jetzt der Entscheidungsstand erreicht.
Wird die Nacht über dem Rheinland also bald ruhiger? Eher nicht. Denn bis zu einer Umsetzung ist es noch weit. Zunächst müsste Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer zustimmen. Zurzeit spricht nichts dafür, dass er dies tut. Und gäbe es wider Erwarten grünes Licht aus Berlin, bliebe den betroffenen Airlines und dem Flughafen Köln/Bonn noch der Klageweg.
Eins aber ist sicher: Die Themen Lärm und Nachtflugverbote werden in der politischen Debatte mehr Bedeutung bekommen. Nicht nur, weil sie eine erhebliche Rolle im NRW-Wahlkampf spielen werden. Sondern, weil bundesweit an den Flughäfen der Protest gegen die Belastungen zunimmt.
Es ist eben nicht einsehbar, dass rein formaljuristische Grundlagen über die Gesundheit von Menschen entscheiden. Warum werden die Anwohner der großen Drehkreuze Frankfurt und München oder der Flughäfen Düsseldorf und Berlin besser vor Nachtfluglärm geschützt als die in Köln/Bonn? Weil es in Köln/Bonn bisher kein Planfeststellungsverfahren gegeben hat, in dem die Belange der Anwohner über einen Interessenausgleich eine Rolle spielen konnten. Davon darf aber eine so grundsätzliche Frage nicht abhängen. Es ist die Verantwortung der Politik, darüber zu entscheiden.
Während Rot-Grün in NRW eine entsprechende Initiative gestartet hat, war aus der Bundespolitik kaum etwas zu hören. Die Bundesregierung kann nicht länger abtauchen, sondern muss die Frage beantworten, welche Interessen sie vorrangig behandelt: die der Flughäfen und Fluggesellschaften oder die der lärmgeplagten Anwohner. Vor dieser Antwort darf Berlin sich nicht drücken.
Verkehrslärm wird eines der großen Themen der Umweltbewegung werden. Ihr ist der Kampf gegen die Atomkraft, mit dem sie über Jahrzehnte präsent war, durch die Energiewende abhandengekommen. Kaum ein gesellschaftliches Problem eignet sich so gut dafür, dieses Vakuum zu füllen, wie das Thema Lärm. Ob von Autobahnen, Bundesstraßen, Güterbahntrassen oder ICE-Strecken, Fluglärm tags wie nachts - vom Lärm sind beinahe alle betroffen. Während an den Flughäfen - in Köln/Bonn durch freiwillige Initiativen der Flughafengesellschaft - Schallschutzfenster für Anwohner verfügbar sind, bekommen beispielsweise die Nachbarn der Gleisstrecken entlang des Rheins das nächtliche Lärmen der Güterzüge ungeschützt mit.
Diese Emissionen haben in der Regel nur lokale Auswirkungen. Deswegen spielen sie in der bundesweiten Diskussion eine untergeordnete Rolle. Damit dürfte jetzt Schluss sein. Die Belastung durch Lärm wird ein Thema auf der politischen Agenda werden. Und alle Beteiligten tun gut daran, sich an der Debatte zu beteiligen. Man wird den Bürgern, die Lärm ausgesetzt sind, sehr gut erklären müssen, warum es gerade in ihrem Fall unumgänglich ist, nachts zu fliegen, zu fahren oder zu rollen.