Experte: 750 Tote durch Fluglärm - Kölner Stadt-Anzeiger-online vom 21.03.2012
Das Rösrather Aktionsbündnis gegen Fluglärm und der Verein „Lebenswertes Sülztal“ hatten zu einer Diskussion zum Thema Fluglärm eingeladen. Dabei wurde klar, dass die Frachtmaschinen wohl bis 2030 weiterfliegen werden.
Rösrath - „Ich dränge darauf, dass es schnell geht“, sagte Grünen-Politiker Horst Becker zum geplanten Verbot nächtlicher Passagierflüge in Köln/Bonn. Als parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium hat er diese Entscheidung vorbereitet, Minister Harry K. Voigtsberger (SPD) hat das Verbot aber noch nicht angeordnet. Beim Informationsabend der Rösrather Fluglärmgegner plädierte Becker dafür, bis zur Landtagswahl zu entscheiden. Danach sei Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer am Zug. Von den Gesprächen, die Voigtsberger zunächst mit allen Beteiligten führen will, erwartet Becker wenig.

Auch die anderen Experten, die das Rösrather Aktionsbündnis gegen Fluglärm und der Verein „Lebenswertes Sülztal“ eingeladen hatten, blieben mit ihren Beiträgen nah am aktuellen Geschehen. Die Stühle im Saal des Bürgerforums Hoffnungsthal waren alle besetzt, viele der 100 Besucher richteten Fragen an die Podiumsgäste. Moderator Johannes Schmitz, als Journalist beim Rhein-Sieg-Anzeiger tätig, erwies sich als sachkundiger Anwalt der interessierten Bürger. Zunächst stellte Arzt und Wissenschaftler Eberhard Greiser seine Studie zu den gesundheitlichen Folgen nächtlichen Fluglärms vor.

Im Auftrag des Umweltbundesamts hat er diese Fragestellung in der Region Köln/Bonn untersucht. Grundlage sind Daten über Erkrankungen und Wohnort. Danach steigt in Wohngegenden mit nächtlichem Fluglärm besonders das Risiko von Herz- und Kreislaufkrankheiten. Auch ein Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen liegt nahe. Bei Krebs sieht Greiser noch Forschungsbedarf. Angesichts möglicher Zweifel an seinen Ergebnissen verwies er vergleichbare Untersuchungen in anderen Ländern. Aufgrund seiner Daten prognostizierte er für die nächsten zehn Jahre 6300 fluglärm-bedingte Neuerkrankungen in der Region Köln/Bonn – und 750 Todesfälle.

Die Zuhörer fragten daraufhin die Podiumsgäste, was sich gegen den Nachflug am Flughafen Köln/Bonn tun lässt. Klaus Stich, Siegburger CDU-Ratsherr und Vorsitzender der Fluglärmkommission, berichtete, dass sich das Oberverwaltungsgericht Münster im April mit der von Siegburg und anderen Kommunen angestrengten Klage beschäftigt. Sie richtet sich gegen die Nachtflugerlaubnis bis 2030. Stich berichtete, der frühere Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) habe sich vor der Verlängerung der Nachtflugerlaubnis nur auf sein Drängen hin von der Fluglärmkommission beraten lassen – obwohl Beratung der Zweck der Kommission sei. Dabei habe Wittke mitgeteilt, seine Entscheidung sei ohnehin schon gefallen.

Auf kritische Fragen, warum die Landesregierung derzeit nur gegen nächtliche Passagierflüge und nicht gegen Frachtflüge vorgehen will, antwortete Becker mit dem Hinweis auf die politische Situation. Mit Blick auf den Koalitionspartner SPD sagte er, eine Landtagsmehrheit gegen nächtliche Frachtflüge sei nicht in Sicht. Es sei „schon schwer genug“ gewesen, ein Verbot nächtlicher Passagierflüge im Koalitionsvertrag zu verankern. Helmut Breidenbach, Vorsitzender der Bundesvereinigung gegen Fluglärm,verwies auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach seien zwar Gesundheitsgefahren und Nutzen von Nachtflügen abzuwägen, laut Gericht seien Frachtflüge aber„wichtiger“ als Passagierflüge. Vor diesem Hintergrund sagte Becker: „Den Frachtflug vor 2030 wegzukriegen, halte ich für unwahrscheinlich.“ Erreichbar seien aber leisere Flugzeuge.

Wer von dieser Einschätzung ernüchtert war, dem machte der Verein „Lebenswertes Sülztal“ ein Angebot: Er rief zur Demonstration gegen Fluglärm am Samstag, 24. März, am Flughafen Köln/Bonn auf, Bustickets bot er für fünf Euro an.