Land stoppt nächtliche Passagierflüge - KStA vom 18.04.2012

Köln. Die Landesregierung wird nächtliche Passagierflüge am Flughafen Köln/Bonn verbieten. Das Kabinett billigte am Dienstag eine Tischvorlage von Landesverkehrsminister Harry K. Voigtsberger (SPD), nach der Starts und Landungen zwischen Mitternacht und fünf Uhr morgens untersagt sind. Lediglich verspätete Landungen sind noch möglich - bis 0.30 Uhr. Für den Frachtflugverkehr ändert sich nichts.

Der Beschlussvorschlag kann aber erst in Kraft treten, wenn auch Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) grünes Licht gibt. Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" aus Berliner Unionskreisen wird Ramsauer (CSU) aber nicht gegen das Nachtflugverbot vorgehen.

Laut Flughafen Köln/Bonn werden zwischen null und fünf Uhr morgens jährlich rund 6000 Flugbewegungen (Starts und Landungen) von Passagierjets verzeichnet. 1,2 Millionen Fluggäste seien von der Neuregelung betroffen.

Vor der Kabinettssitzung hatte Voigtsberger noch einmal den Betroffenen - Flughafen und Fluggesellschaften - Gelegenheit gegeben, ihre Positionen darzulegen. Diese hatten aber auch schon in den Monaten zuvor Stellungnahmen im Rahmen eines schriftlichen Anhörungsverfahrens abgeben können. Nach Abwägung der Argumente ist das Verkehrsministerium der Auffassung, das eine Kernruhezeit für Passagierflüge nicht nur rechtlich zulässig ist, sondern die zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen sich für die Betroffenen auch in geringen Grenzen halten.

Norbert Röttgen, CDU-Landesvorsitzender und Bundesumweltminister, begrüßte die Entscheidung ebenso wie Horst Becker (Grüne), der das Verfahren als parlamentarischer Staatssekretär im NRW-Verkehrsministerium mit Nachdruck betrieben hatte. Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters verwies auf Ramsauers frühere Ankündigungen, die rechtliche Zulässigkeit der Verordnung prüfen zu wollen.

Kritik kam von Flughafen und Fluggesellschaften. Germanwings befürchtet nachteilige wirtschaftliche Folgen. Die Regelung gehe einseitig zulasten der Airlines.

Kommentar Seite 4: Auch leise Jets sind nachts laut
VON LUTZ FEIERABEND

Es ist für die Anwohner des Köln-Bonner Flughafens eine gute Nachricht: Die Landesregierung hat das Nachtflugverbot für Passagierflüge jetzt auf den Weg gebracht. Und wenn Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer die Verordnung umgehend prüft und genehmigt, könnte es sogar schnell gehen: Eine Umsetzung der Kernruhezeit für nächtliche Passagierflüge wäre dann schon mit dem Winterflugplan 2012/2013 möglich.

Wer jetzt einwendet, dass damit wenig geholfen ist, weil nur diejenigen Flugzeuge aus der Nacht verschwinden, die ohnehin am wenigsten Lärm verursachen, sagt nur die halbe Wahrheit. Denn auch vergleichsweise leise Jets machen nachts Lärm und verkürzen die Lärmpausen. Immerhin 6000 Flugbewegungen gehen nachts allein auf Passagierflüge zurück. Das ist nicht gerade wenig.

Dass Flughafen und die betroffenen Fluggesellschaften die Entscheidung massiv kritisieren, ist nachvollziehbar. Vielleicht kann die Landesregierung noch einen Schritt auf die Unternehmen zugehen und etwas mehr Zeit für verspätete Flugzeuge einräumen - im nachzuweisenden Ausnahmefall.

Klar ist aber auch: Die Landespolitik darf jetzt bei dem ungleich schwieriger zu lösenden Problem - der Verringerung des Lärms durch nächtliche Frachtflüge - nicht nachlassen. Wie viel Lärm den Bürgern nachts zugemutet werden kann, darf nicht dem Zufall überlassen sein - etwa weil die wirtschaftliche und die juristische Lage dies ermöglichen. Es ist eine der vornehmsten Aufgaben der Politik, Rahmenbedingungen zu formulieren und zu setzen. Dabei ist den Interessen der Wirtschaft nicht mehr Bedeutung einzuräumen als jenen der Bürger.


Land/Region Seite 8
Nur Berlin kann Verbot aufheben

Köln. Das Nachtflugverbot für Passagierflüge trifft erwartungsgemäß auf ein unterschiedliches Echo. "Nach einem transparenten Dialog mit den Beteiligten senken wir die Lärmbelastung für die Anwohner und tragen den wirtschaftlichen Interessen der Region Rechnung", begründet Verkehrsminister Harry Voigtsberger den Schritt, mit dem einvernehmliche Beschlüsse des Landtags aus den Jahren 2007 und 2010 umgesetzt würden. Auch aus Sicht der Grünen ist das Nachtflugverbot ein Erfolg. "Die Verordnung, die maßgeblich vom parlamentarischen Staatssekretär für Verkehr Horst Becker vorbereitet wurde, stärkt die Nachtruhe der Menschen in der Region", sagte Grünen-Landesvorsitzender Sven Lehmann.

Der CDU-Landesvorsitzende und Bundesumweltminister Norbert Röttgen erklärt: "Ich stimme inhaltlich zu. Ich halte es für richtig, die Anwohner von diesem Passagiernachtflug zu befreien. Das dient der regionalen Akzeptanz des Flughafens." Die Einschränkung des Passagierfluges "ist wirtschaftlich nicht von Bedeutung".

"Diese Entscheidung entbehrt jeder Rechtsgrundlage, sie schadet dem Luftverkehrsstandort NRW und gefährdet Arbeitsplätze. Die damit beabsichtigte Lärmentlastung ist gering, denn im Passagierverkehr sind in aller Regel kleinere, moderne und lärmarme Flugzeuge im Einsatz", kritisiert Flughafenchef Michael Garvens. Der Flughafen werde sich eine Klage gegen die Verordnung vorbehalten. Garvens: "Wir appellieren an den Bundesverkehrsminister, diesem Nachtflugverbot seine Zustimmung zu verweigern."

Auch Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters, der sich mehrfach für die geltende Nachtflugregelung ausgesprochen hatte, setzt auf Ramsauer. "Der Bundesverkehrsminister hat ja erklärt, dass er die rechtliche Zulässigkeit der jetzt getroffenen Verordnung überprüfen lassen will."

Das wird Ramsauer auch tun, wie ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums dem "Kölner Stadt-Anzeiger" bestätigte. Ramsauer selbst äußerte sich nicht. Aus Regierungskreisen verlautete indes, es sei fraglich, ob eine geltende Betriebsgenehmigung widerrufen werden könne. Nach Informationen des "Kölner Stadt-Anzeiger" geht man aber in Berliner Unionskreisen nicht davon aus, dass Ramsauer die Verordnung beanstandet.

Beim Billigfluganbieter Germanwings ist man enttäuscht. "Im Sommerflugplan haben wir zwölf Starts oder Landungen pro Woche in der Kernruhezeit. Es sind meist Flüge zu Mittelmeerzielen, die wahrscheinlich gestrichen werden müssen", sagte Gesamtbetriebsleiter Michael Knitter.

Protest aus der Luftfahrt
Der Entwurf gehe einseitig zulasten der Airlines. Sicher sei die Regelung, ausnahmsweise bis 0.30 Uhr landen zu dürfen, ein Schritt in die richtige Richtung. "Aber für uns wäre ein Fenster bis zwei Uhr nachts für Fälle, die wir nicht verschuldet haben, erheblich besser."

"Das ist die falsche Entscheidung zum falschen Zeitpunkt", heißt es von Air Berlin. Das Nachtflugverbot würde für Air Berlin im Sommer 2012 pro Woche 28 Flüge betreffen - 26 Starts, zwei Landungen. So kurzfristige Änderungen an der erst vor vier Jahren bis 2030 erteilten Betriebsgenehmigung schadeten der Wirtschaft. Scharfe Kritik auch vom Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. "Hier geht es Parteien darum, die Wahl zu gewinnen, und nicht darum, für die Menschen und die Unternehmen der Region verantwortlich vorzusorgen", erklärte BDL-Präsident Klaus-Peter Siegloch in Berlin.