Flucht der Trittbrettfahrer - Die Debatte über den nächtlichen Fluglärm erfährt eine bestürzende Wende - KStA-Kommentar vom 03.10.2012 von LUTZ.FEIERABEND
Wenn man bedenkt, welche Prominenz das Thema in den vergangenen zwölf Monaten hatte, dann kommt einem der Schlusspunkt bestürzend banal vor. Es geht um das Nachtflugverbot für Passagierflüge, das nach dem Willen der rot-grünen Landesregierung am Flughafen Köln/Bonn verhängt werden und unbedingt noch vor der Landtagswahl im Mai angeordnet werden sollte. Das Ergebnis dieser Initiative ist bekannt. Das Bundesverkehrsministerium hatte die Düsseldorfer Anordnung auf ihre rechtliche Zulässigkeit zu prüfen und hat sie schließlich für unzulässig befunden. Und am Montag nun das letzte Kapitel: Die (immer noch) rot-grüne Landesregierung sieht rechtlich keine Widerspruchs- oder Klagemöglichkeit gegen Ramsauers Entscheidung. Die Nächte bleiben laut.
Wenn man bedenkt, wer sich alles zuvor zum obersten Hüter der Nachtruhe ausgerufen hat, durfte man eigentlich jetzt einen Sturm öffentlicher Entrüstung erwarten. Denn neben vielen ernstzunehmenden Lärmschützern haben nicht wenige Landes- und Bundespolitiker die Attraktivität des Themas mit dem Näherrücken des Wahltermins immer stärker empfunden. Parteiübergreifend hätte also Bund und Land Kritik entgegen schallen sollen, ja müssen: Wie ernst nehmt ihr wirklich die Verteidigung der Nachtruhe?
Dieses parteiübergreifende Bündnis gegen den Nachtflug hat sich jedoch offenbar in Luft aufgelöst. Kaum etwas war zu hören, seitdem Ramsauer (CSU) die Lärmpläne abgebügelt hat. Seine Parteifreunde im Rheinland, denen man den größten Einfluss auf ihren Bundesverkehrsminister zutrauen müsste, aber blieben verdächtig zurückhaltend. Auch Rot-Grün im Land beerdigt in aller Stille das Vorhaben.
Und da stehen sie nun wieder allein, die Bürger. Und verstehen die Welt nicht mehr. Ihre Interessen werden auf dem juristischen Altar geopfert. Da ist von Gleichheitsgrundsätzen die Rede, die nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen: Wenn Frachtflieger nachts starten und landen, könne man dies Passagierjets nicht verbieten. Oder es wird ein in den Nachtflugbeschränkungen vorgesehenes Teilwiderrufsrecht für die Nachtfluggenehmigung bemüht, das aber leider in diesem Fall keine Anwendung finden darf. Meint der Bundesverkehrsminister. Für die politischen Kurzzeit-Lärmschützer eine komfortable Situation: Die großspurige Initiative vor der Wahl kann man jetzt - höchstministeriell legitimiert - ohne Aufsehen ad acta legen.
Zieht man eine Bilanz, wer den nächtlichen Lärm eingeschränkt und damit den Bürgern in den vergangenen Monaten am meisten geholfen hat, steht kurioserweise derjenige an der Spitze, dem man dies am wenigsten zugetraut hätte: der Flughafen. Dass die Hälfte der extrem lauten Frachtflieger des Typs MD-11 mittlerweile durch die leisere Boeing 777 ersetzt wurden, hat sich das Frachtflugunternehmen Fedex nicht selbst ausgedacht, sondern ist das Ergebnis kontinuierlichen Einwirkens durch die Köln/Bonner Geschäftsführung. Einerseits. Und andererseits des öffentlichen Drucks, der allein schon aus diesem Grund nicht nachlassen darf.
Wir Wahlbürger dürfen am Ende nur noch über das menschengemachte Recht staunen, das uns angeblich so klug leitet. Die durch die frühere schwarz-gelbe Landesregierung verlängerte Nachtfluggenehmigung steht unverrückbar ganz oben. Die Bürger haben sich ihr unterzuordnen.